Race Across The Alps

Race Across The Alps Fotos ]

Bericht Radrennen RATA am 7.Juli 2001 

vom Radzwilling Gernot Turnowsky vom „Radklub Raaba“ www.radklub.com

 

Ich hatte schon eine leichte Ungewissheit und Aufregung in mir, als ich zusammen mit meinem Bruder Horst

am Mittwoch dem 4. Juli 2001 zu meinem bisher schwersten Radrennen, dem Race across the alps (kurz RATA)

nach Nauders in Tirol anreiste.

Aber dieses flaue Gefühl in der Magengegend war nicht unbegründet. Rund 520 Kilometer und 12.200 Höhenmeter

ohne Pause durchzufahren und das Ganze über die höchsten und schwierigsten Pässe Europas war eben eine

neue Herausforderung für mich und sicherlich auch für alle anderen Fahrer, die nicht zu unterschätzen war.

Schlechtes Wetter wie Kälte, Regen, vielleicht sogar Schneefall können solch eine Sache bis zur

Unmenschlichkeit treiben.

 

Dieses neu aufgelegte Rennen sollte ein Parallelbewerb in Europa zum Race across Amerikawerden.

Der Veranstalter plante das Rennen absichtlich nur über 1 langen Tag und nicht über 8-9 Tage, da kürzere Events

viel interessanter für den Zuschauer seien. Das Rennen wird von 50 Fernsehstationen übertragen und das

war Grund genug, dass bekannte Fahrer zu diesem Rennen der Leiden kamen.

Rund 30 der besten Langstreckenspezialisten aus ganz Europa (W.Fasching, Herbert Meneweger, Franz Venier, Paul Lindner, Gerrit Glomser, Ivan Dotto und Rainer Popp um die Bekanntesten zu nennen) und sogar aus den USA Rick Kent wurden von einem fachkundigen Komitee für diesen Langstreckenevent selektiert.

Ich erfuhr von diesem Rennen im Herbst 2000 und bewarb mich sofort. Im Februar 2001 bekam ich dann die

Startzusage. Zuerst wurde ich etwas unsicher, ob ich diese Strecke (2x Reschenpass 1.507m, 2x Stilfserjoch

2.757m höchster Pass Italiens, Passo Gavia 2.621m, Passo Mortirolo 1.852m 19-26% Steigung, Passo Aprica

1.176m, Berninapass 2.328m, Flüelapass 2.383m, Ofenpass 2.149m, und Umbrailpass 2.501m)

auch realistisch schaffen kann. Jedoch überhaupt in diesem erlesenen Feld starten zu dürfen,

motivierte mich so sehr, dass ich sofort mit meinen Trainingsvorbereitungen begann.

 

Viele Dinge geisterten mir noch bei der Anreisedurch den Kopf: Wie wird das Wetter werden? Wie soll

ich den Energieaufwand abdecken ? Bergauf kann ich nur schwer Nahrung zu mir nehmen und Bergab

ist es absolut zu gefährlich. Wie werde ich die langen Abfahrten in der Nacht meistern ? Und vieles mehr.

Nach einer wunderschönen Fahrt mit dem Chrysler Voyager durch die Steiermark, Salzburg und Tirol kamen wir dann am Abend in unserer Unterkunft an.

Den nächsten Tag nutzten mein Bruder und ich für ein leichtes Training und Höhenklimatisierung.

Am Abend trafen wir weitere Vorbereitungen für das Rennen.

Feitag wurde vom Veranstalter ein Briefing organisiert. Letzte Informationen über die Starter und Ablauf

des Rennens sowie Reglement wurden uns mitgeteilt. Auch einer Blutabnahme unterzog ich mich freiwillig,

da das Innsbrucker Sportinstitut über solche Extremsbelastungen eine wissenschaftliche Studie erstellt.

Am Abend richtete mein Bruder bereits die ersten Nahrungsmittel für das Rennen.

Spät am Abend kamen dann meine Betreuer nach und wir besprachen noch einige Punkte, wie den Ablauf der

Betreuung etc.. 

Nach einer unruhigen Nacht war es dann soweit.

Am Samstag dem 7.Juli 2001 zwischen 11 und 12 Uhr wurden alle Fahrer dem anwesenden Publikum vorgestellt.

Es war großartig und relativ neu für mich, von einem Moderator vor großem Publikum vorgestellt zu werden.

Aber ich muss zugeben, es war ein Genuss und es tat dem Herzen gut, als mein Name und meine

bereits erreichten Ziele und Aktivitäten erwähnt wurden.

Punkt 12 Uhr erfolgte bei angenehmen 25 Grad Celsius der Start zur 1. Auflage Race across the alps. Unter dem Beifall tausender Zuschauer fuhren wir im humanisierten Tempo von Nauders-über den Reschenpass-Reschen-Mals-Schluderns-Sponidinig-nach Prad. Hier erfolgte erst der Startschuss. Es dauerte nur ein paar Sekunden bis Gerrit Glomser aus dem Feld sprintete und mit hohen Tempo in den Berg fuhr.

Gleich darauf erhöhte das Feld das Tempo.

In Trafoi war das Feld schon weit zerrissen und es begann zu regnen. Dieser Regen wurde immer heftiger

und endete in einem Wolkenbruch mit Sturmböen und Blitzen. Ab 2.000 Meter Seehöhe wurde es immer

kälter und Hagel brasselte auf die Fahrer nieder. Zuletzt fuhren wir bei dichten Schneefall auf

das Stilfserjoch (2.757m). Die Betreuer hatten alle Hände voll zu tun, um die Fahrer für die bevorstehende Abfahrt

fit zu bekommen. Finger und Füße waren steif vor Kälte und schmerzten sehr. Ich konnte nichts mehr bewegen.

Heißer Tee und warme Suppe brachten mich jedoch gleich wieder auf Trapp, aber es vergingen wertvolle Minuten.

Trotz allem konnte ich in der Abfahrt einige Fahrer darunter auch W.Fasching überholen.

Merklich ausgelaugt durch die extremen Wetterbedingungen am Stilfserjoch fuhren wir dem

nächsten Berggigant entgegen, der Passo Gavia. Bei leichtem Regen, Nebel und Kälte nahm ich die lange Auffahrt

in Angriff.Es waren ca. 8-10 Fahrer vor mir.

Knapp vor der Passhöhe konnte mich W.Fasching wieder überholen, ich war sehr verwundert darüber, da ich

schon einen großen Abstand zu ihm herausfahren konnte. Um ca. 17.30 Uhr erreichte ich dann die Passhöhe.

 

Nach einer kurzen Umziehpause fuhr ich sehrriskant die engeAbfahrt auf der glitschnassen Strasse zurück nach

Bormio. Das Ganze absolvierte ich nur mit der Vorderbremse, da sich durch die große Nässe meine Bremsbacken komplett abnützten. Trotzdem konnte ich wieder 2 Fahrer in der Abfahrt überholen.

Zwischen Bormio und der nächsten großen Hürde, dem Passo Mortirolo konnten wieder einige Fahrer aufschließen

und so machten wir im Pulk mit hohen Tempo Zeit gut. Ständiges Zuführen von Nahrung und Flüssigkeit

darf man bei solchen Extremst Belastungen auf keinen Fall vergessen.

Knapp vor dem Anstieg auf den wohl gefürchtesten Pass des „Giro Italia“ dem Passo Mortirolo wollte kein Fahrer

mehr Führungsarbeit leisten. Jeder sparte unter allen Umständen jede verfügbare Energie für diesen schlimmstenPass

der Alpen , um die Steigung von 19-26% zu bewältigen. Um ca. 19 Uhr nahm ich den „Zehn Kilometer Anstieg“mit 1.300 Höhenmeter in Angriff.

Jetzt konnte ich endlich einmal meine Bergstärke in Einsatz bringen und überholte 4 Fahrer.

Motiviert durch das besser werdende Wetter fuhr ich wieder einmal eine schnelle Abfahrt nach Monno.

Alleine ohne Begleiter fuhr ich mit mäßigen Tempo auf den Passo Aprica, wo mich wieder Fahrer darunter Rainer Popp einholten. Langsam aber doch wurde es dämmrig und die Fahrer bereiteten sich auf die bevorstehende Nacht vor. Temperaturen von ca. 6-10 Grad Cel. saugten viel Energie aus dem Körper. Wieder nahm ich einige Happen Essen zu mir um den gefürchteten „Hungerast“ zu entgehen . Bereits in der Nacht erreichten wirTirano.Ich sitze bereits 10

Stunden im Sattel und die Augen beginnen zuzufallen.

Schon merklich müde kurbelten wir den Berninapass, den längsten Pass in dieser Runde (fast 2.000 Höhenmeter und

30 Kilometer) empor. Begleitet vom Licht des Vollmonds und der dadurch sichtbaren Bergkulisse war ich wieder voll

motiviert und von der Stimmung begeistert.

Es war bereits Mitternacht als wir oben den Pass erreichten. Wieder einmal zog ich mich um, die Betreuer halfen mir, denn jede kleine Bewegung wird nun schon zu einer Qual. Danachnäherten wir uns mit hoher Geschwindigkeit Pontresina in der Nähe vonSt.Moritz. Nur eine kurze Strecke konnte ich mich wieder mit Nahrung und Getränken versorgen, bevor wir den bereits 7. Pass in Angriff nahmen. „Der Albula ist der Nächste“ rief mein Bruder lachend aus dem Auto.

Ich fuhrden Pass bis jetzt nur bei Tageslicht. Die Nacht verändert die ganze Umgebung und der Anstieg wirkte

fremd auf mich. Wieder fuhren wir weit über die 2.000 Meter Marke und es wurde merklich kühler.

Mein noch nicht ganz ausgeheilter Husten machte sich nun bemerkbar. Heiße Getränke und warmes Essen

war nun die Devise. Oben angekommen spielten ich das bereit gewohnte Ritual durch: Haube weg, Handschuhe

ausziehen, langes und kurzes Trikot weg, Unterziehtrikot weg, alles patschnass, ich konnte durch

meine Verkühlung die Abfahrten mit nassem Gewand nicht riskieren. Gleich darauf neue Wäsche anziehen,

die mein Bruder auf der Heizung vorwärmte. Es war ein traumhaftes Gefühl, in die vorgewärmte Wäsche zu

schlüpfen, kurz dachte ich an ein wohlig warmes Bett, aber es liegen noch große Hürden vor uns.

Plötzlich ein Funkspruch: Gerrit Glomser liegt komplett benommen und KO. im Auto und hängt an Infusionen.

Sein Vorsprung von rund 1 Stunde schrumpft zusammen.

Auch Paul Lindner, mein Favorit für dieses Rennen, ist bereits abgestiegen.

Langsam rechnete ich mir Chancen aus, dieses Rennen durchfahren zu können. Noch nie bin ich in meinen

roten Bereich gefahren und mir geht es einfach gut. Keine Schmerzen in den Knien und Muskeln, ein guter Rhythmus und motiviert vom Bergpanorama fuhr ich weiter.

Nach einer langen und gefährlichen Abfahrt in der Nacht vom Albulapass fuhren wir über Filisur-Schmitten-Wiesen nach Davos. Mein Bruder richtete schon das Frühstück. Ausnahmsweise bekam ich heißen, starken Kaffee, um die Müdigkeit zu überbrücken und dazueinen frischen Mohnstrudel.

Es wird bereits 6 Uhr Früh und die Dunkelheit wurde von der Dämmerung abgelöst. Motiviert vom Gedanken,

die Nacht hinter mir zu haben, wartete schon der nächste Alpengigant auf uns.

Zu dritt (Franz Venier, Rainer Popp und ich) kurbelten wir auf den Flüelapass. Wieder erreichten wir eine Höhe

von 2.383 Meter. Das Wetter ist schön und stabil. Oben angelangt ließen eine PortionSpagetti mit Thunfischsauce mein Herz höher schlagen. Wieder spielte ich Maskenball und wechselte mein Gewand.

Mit Tempo 80-90 km/h stürzten wir uns den Pass hinunter. Vorbei an Susch und durch Zernez kämpften

wir auf den vorletzten schweren Ofenpass. Trotz bereits 400 gefahrener Kilometer, 20 Stunden Fahrzeit und 10.000 Höhenmeter fühlte ich mich recht fit und ohne Schmerzen.

Vormittags bei Kaiserwetter erreichten wir den Ofenpass. Bei der Abfahrt verlieren wir auf einmal Franz Venier,

wir warteten und bummelten einige Kilometer, aber Franz tauchte nicht mehr auf. Somit waren wir zu zweit.

Schon längst befreundete ich mich mit Rainer. Zusammen sind wir nun über die schwersten Pässe Europas

gefahren. 

Doch zum Abschluss wartete nun noch die Schlüsselstelle auf uns. Noch einmal ist das 2.757 Meter hohe

Stilfserjoch über den Umbrailpass zu absolvieren.

Die Beine sind schon müde, die Motivation noch immer nach unten zu treten wurde immer weniger.

Der Körper alleine würde schon längst stehen bleiben, doch mein Kopf war noch gut und ich konnte

immer wieder schöne Momente aus meinem Leben als Motivation für das Weitermachennützen.

 

20 Kilometer war die Quälerei, aber die Anfeuerungen der fast 2.500 vorbeifahrenden Radfahrer

vom 3-Ländergiro hielten uns aufrecht.

Um 10:45 Uhr erreichten wir bei schönstem Wetter und einer wunderschönen Bergkulisse endlich den Pass, nach einer kurzen Essenspause begaben wir auf die lange Abfahrt vom Stilfserjoch mit 48 Kehren. Plötzlich, um Gottes Willen, hupfte mein Hinterrad.

Ich wusste sofort was passiert war. Hinterraddefekt.

Das große Verkehrsaufkommen verhinderte, dass mein Betreuerauto sofort zu mir stoßen konnte.

Erst in Trafoi konnte ich den Defekt beheben. Leider verlor ich nun den Anschluss zu Rainer.

Ich mobilisierte noch einmal alle Kräfte und startete einen Aufholversuch. Doch mein Bruder stoppte mich, denn Rainer fuhr mit langsamem Tempo nur 2 Minuten vor mir.

Bei der letzten Auffahrt auf den Reschenpass waren wir wieder zusammen. Was für ein fairer Sportler

dachte ich mir und freute mich sehr als ich Rainer wieder sah. Wir beschlossen zusammen durch das Ziel

zu fahren.

Um genau 13:10 Uhr war es dann soweit. Bei tosendem Applaus, einem Spalier von Fotografen und

Kameraleuten und überwältigendem Publikum fuhren Rainer und ich Hand in Hand durch das Ziel.

Überglücklich und mit der Gewissheit, dass die 30 stärksten Langstreckenfahrer Europas am Start waren, freute ich mich irrsinnig über den 11.Platz.Schön war für mich, dass ich nie in dem roten Bereich fahren musste. Ich

achtete sehr darauf, dass ich mich durch die gerade ausgeheilte Grippe geschwächt, nicht überlastete.

13:30 Uhr: Der Rummel, die Interviews um uns, alles vorbei. Plötzlich überfällt mich extreme Müdigkeit.

Doch keine Krämpfe oder Knieweh waren zu spüren.

Ich wollte noch duschen, aber als ich mich nur kurz ins Bett legen wollte wurden daraus gleich 5 Stunden.

Erst am nächsten Tag konnte ich meine Leistung einigermaßen realisieren. Fix qualifiziert für das 2 .RATA 2002

habe ich das Ziel, in die TOP TEN zu fahren.

Danke an meinen Bruder und der ganzen Betreuercrew, die mich so gut über die Runde brachte.

Gernot TURNOWSKY

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